Seit April 2011 durchforsteten unsere Projektteilnehmer Archive und Zeitungen, wälzten Literatur zur Judenverfolgung, durchstöberten das Internet und befragten Wittichenauer Zeitzeugen. Anfang Oktober zogen sie Bilanz und fassten zusammen, was sie herausfinden konnten. Um sich in die jüdische Kultur besser hineinversetzen zu können und jüdisches Leben heute zu verstehen, unternahmen neun Projektteilnehmer eine Exkursion nach Berlin. Die erste Station der zweitägigen Exkursion führte die Gruppe zum Holocaust-Mahnmal im Zentrum Berlins, am Brandenburger Tor. Dort erinnern hunderte verschieden hoher Betonblöcke an die Verbrechen an Juden, Sinti und Roma im Dritten Reich. Zu dieser Gedenkstätte wurde unter diesem imposanten Denkmal eine Ausstellung eingerichtet. Durch erschreckende Bilder und in berührenden Texten von Deportierten führt die Ausstellung anhand von Einzelschicksalen das Grauen der Naziverbrechen vor Augen. Aus den dort geschilderten, persönlichen Tragödien ließ sich für die Jugendlichen die grausame Dimension der Massenvernichtungen erahnen. Auch am Abend sollten die Schrecken des Holocausts die Teilnehmer der Fahrt nicht loslassen, denn sie arbeiteten gemeinsam an der Dokumentation ihres Geschichtsprojekts. Projektleiter Eric Schimann fasste die bereits gewonnenen Erkenntnisse zusammen, bevor an Dialogen und Szenen geschrieben wurde, die sich an den gesammelten Fakten orientierten und so oder ähnlich im Leben der Wittichenauer jüdischen Familie Neufeld zugetragen haben könten. Außerdem gestaltete ein Team einen komplexen Zeitstrahl, der die Zusammenhänge zwischen politischen Entscheidungen und deren Auswirkungen auf die in Wittichenau lebende jüdische Familie zeigt. "Die intensive Zusammenarbeit in der Gruppe hat Spaß gemacht", resümierte Eric Schimann. Über die so aufbereiteten Recherche-Ergebnisse sollen sich die Wittichenauer Bürger später in einer Ausstellung informieren können. Den Abend beschlossen die Fahrtenteilnehmer in einer gemütlichen Spielerunde. Früh am Morgen fuhren die Jugendlichen dann ins jüdische Museum. Dort konnten sie durch eine kompetente Führung erst die Komplexität des Museums erfassen. Jede Richtung eines Ganges, sich senkende oder hebende Decken und selbst die Form der Türen haben eine tiefere Bedeutung. In dem Museum begaben sie sich auf eine lange Reise durch die Geschichte des Judentums. Dabei gab es nirgends eine Möglichkeit etwas zu überspringen. Sie mussten den Weg durch die Geschichte bis zu Ende gehen - eine Finesse des Architekten. Durch die Gesamtbetrachtung der Geschichte des Judentums und die Erkenntnis, dass sich Vorurteile gegenüber dieser Religion über Jahrhunderte entwickelten, konnten die Jugendlichen begreifen, warum die menschenfeindliche Rassenideologie der Nationalsozialisten so "erfolgreich" war. Mit den Eindrücken aus dem Museum endete dann auch diese Fahrt nach Berlin, als die Exkursionsteilnehmer nach zweieinhalb Stunden Fahrt in Wittichenau wieder aus dem Kleinbus stiegen. Nach Einschätzung von Lukas Winzer lag der Wert der Exkursion darin, dass sie die Vielfalt der jüdischen Kultur verdeutlichte. Im Schulunterricht werde das Judentum dagegen beinah ausschließlich auf die Zeit des Dritten Reiches reduziert. So konnten die Teilnehmer aus den zwei Tagen in Berlin eine Vielzahl von Erkenntnissen über die Geschichte, Kultur, Religion und die Traditionen des Volkes Israel mitnehmen.