Von Lehrern und Klassenkameraden

Zeitzeuge Georg Kochta (*1927) berichtet von einer Szene in der Schule. Mädchen und Jungen wurden damals ab der 5. Klasse getrennt unterrichtet. Die Jungen gingen am Kirchplatz in die Alte Schule. Georg Kochta besuchte dort mit Salomon, dem jüngeren Sohn der jüdischen Familie Hilsenrath, die Klasse. Seine Mitschüler hätten zu dem Jungen keinen Abstand gehalten, sagt Kochta. Es habe gar keiner darauf geachtet, dass er Jude war – im Gegenteil.

Gruppenaufnahme der Kinder in der Spielschule von 1931

„Das war ein ganz schlauer Kerl, richtig pfiffig, schnell und wendig. In der Pause haben wir Fangen gespielt oder Verstecken. Wir haben rumgetobt. Und weil er [Salomon] der Schnellste war, hat er immer ausgezählt. Und einmal als der Hilsenrath nicht in der Schule war, kam der Lehrer Kaboth nach der Pause zu uns in die Klasse und sagte zu uns:

‚Jungs, ich muss euch mal was sagen.
Ihr seid doch alle richtige deutsche Jungs.
Warum lasst ihr euch von dem Juden auszählen?
Der ist der Anführer? Ihr müsst die Anführer sein!’

Das hat mich damals zum Überlegen gebracht. Warum hat der Lehrer etwas gegen Juden? Wir haben das nicht richtig ernst genommen. Und die Bevölkerung in Wittichenau hat, soweit ich weiß, keinen Abstand zu den Juden genommen.“